Veranstaltung mit Dr. Irina Scherbakowa und Prof. Jan Claas Behrends
- Redaktion
- 12. Juni
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Aktualisiert: 13. Juni
Am 03.06.2025 fand in der Stadthalle in Falkensee eine Veranstaltung zum Thema
„Demokratie in Gefahr?“- Autokraten und Diktatoren an die Macht?“ statt. Eingeladen hatte der Verein care4democracy zu der von der Landeszentrale für politische Bildung geförderten Veranstaltung. Zu Gast waren zwei Experten: Dr. Irina Scherbakowa (Germanistin, Historikerin, Gründungsmitglied der NGO „Memorial“) und Prof. Jan Claas Behrends (Lehrstuhlinhaber „Diktatur und Demokratie“ an der Europa-Universität Viadrina und Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam).

Einleitend verwies der Vereinsvorsitzende, Dr. Tom Schaak, auf unsere Verfassung, die uns auf deutschem Boden Grundrechte und Freiheiten garantiert. Es irritiere ihn, wenn in Falkensee „jeden Montag Menschen zum Widerstand gegen das ,Regime‘, die ,Diktatur‘ aufrufen und dabei Fahnen schwenken, die man als ,Mainstream-Mediengebildeter‘ neben einem soliden Geschichtsunterricht in der Schule eher mit Feudalherrschaft und kriegslüsternen Nationalstaaten verbindet.“ Damit leitete er über zu Irina Scherbakowa, die sich mit Memorial für die mit dem Friedensnobelpreis (2022) gewürdigte Aufklärungsarbeit zur stalinistischen Gewaltherrschaft eingesetzt hat. Ausgehend von einem Gorbatschow-Zitat (1986: „Wir wollen mehr Wahrheit!“) wollte Memorial die „Wahrheit über unsere Vergangenheit!“. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Stalin-Ära führte zu einer Datenbank von 4 Millionen menschlichen Schicksalen. Mindestens 12 Millionen Menschen seien Opfer von staatlichen
Repressalien geworden. Im Rahmen einer scheinbaren Demokratisierung wurden die Archive für Historiker zugänglich gemacht. Leider wurden Täter nicht zur Verantwortung gezogen. „Bereits Mitte der 90er Jahre interessierte sich niemand mehr für die Aufarbeitung“ beklagte Scherbakowa. Die angekündigten Reformen brachten Russland eher in eine wirtschaftlich prekäre Lage mit steigender Arbeitslosigkeit. Dieser Unmut in der Bevölkerung konnte sich aufgrund der bestehenden damaligen neuen Meinungs- und Pressefreiheit Gehör verschaffen. Mit einer wachsenden Kriminalität „war der Boden bereitet für jemanden wie Putin.“ Diesem lag daran, „Stärke“ zu zeigen und damit an einer nostalgisch verklärten Verdrängung der stalinistischen Verbrechen. Stalins Gewaltherrschaft sollte nicht zum Makel der Großmacht Russlands werden. Memorial wurde damit zum Feind erklärt und verboten. Prof. Jan Claas Behrends lernte Russisch an der Volkshochschule bei einem ehemaligen Gulag-Insassen, sein Interesse für die Geschichte Osteuropas war damit geweckt.
Er berichtete über seine eigenen Aufenthalte in Russland und der Ukraine in der post-sowjetischen Zeit. Mit der sog. „Orangenen Revolution“ begann „sich die Ukraine deutlich von Russland zu unterscheiden.“ Er beklagte, dass Journalisten zumeist die Ukraine nur auf drei Kernthemen „Korruption, Oligarchen, Bandera“ reduzierten. Damit galt es für ihn, den Blick für eine breitere, differenziertere Betrachtung der Ukraine zu weiten.
Irina Scherbakowa ergänzte, dass Russland aktuell von „Angst vor dem Staat, Angst vor der Miliz, Angst vor der Denunziation“ geprägt sei. Die zusätzliche Propaganda, auch im Hinblick auf die vermeintliche Befreiung der Ukraine, sei deswegen erfolgreich, weil „sie die Menschen aus der Verantwortung befreit! Sie wollen an die Lügen glauben!“ Und sie mahnte: „Gerade in Ostdeutschland müsste man wissen, wie es sich in einer Diktatur lebt!“
Behrends führte aus, dass es oberstes Ziel eines Autokraten wie Putin immer sei, dass es keine Alternative zu seiner Person geben dürfe. Dies wäre ein Grund, warum Widersacher wie Nawalny beseitigt werden. „Die Politik in Russland funktioniert anders als bei uns, in Russland funktioniere sie wie eine Familie“ erläuterte Behrends. Er meinte damit, dass die politische Prägung vom Familienoberhaupt vorgelebt und auch diese Rolle auf den „Vater Staat“ übertragen werde.
Die Sehnsucht nach Frieden wertete Behrends als legitim. Er verband sie aber mit einer Warnung, denn wer diese absolut setze, denke vermutlich nicht über die Konsequenzen nach. „Die Politik muss sich anstrengen, den Bürgern zu erklären, warum wir eine wehrfähige Bundeswehr brauchen.“ Zugleich forderte er mehr Wertschätzung für die Soldaten durch die Bevölkerung.
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