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NSU: Das Leid der Opferfamilien

  • Redaktion
  • 23. Sept.
  • 2 Min. Lesezeit

Am 22. September 2025 veranstaltete der Verein care4democracy eine öffentliche Diskussionsrunde an der „Kantschule“. Am Folgetag folgte eine schulinterne Veranstaltung am Lise-Meitner-Gymnasium. Ermöglicht wurden beide Termine durch eine finanzielle Förderung der Amadeu Antonio Stiftung. Das zentrale Thema der Veranstaltungen lautete: „Demokratie in der Krise? Eine migrantische Perspektive auf rechte Gewalt, staatliche Verantwortung und gesellschaftlichen Zusammenhalt.“


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Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz gab Einblick in ihre anwaltliche Tätigkeit und betonte, was sie persönlich dabei antreibt: Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Unantastbarkeit der Menschenwürde regelt und die Grundlage für sämtliche weitere Inhalte unserer Verfassung bildet. Bekanntheit erlangte sie durch ihre Mitwirkung im sogenannten NSU-Prozess, in dem sie die Familie von Enver Simsek vertrat – dem ersten Opfer der Mordserie der rechtsextremen Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).


Seda Basay-Yildiz verdeutlichte eindrucksvoll, welches Leid migrantische und unbescholtene Opferfamilien erfahren mussten. Die Familien litten nicht nur unter dem traumatischen Mordereignis und dem Verlust des Ernährers, mit daraus resultierenden Existenzängsten, sondern auch unter den Ermittlungsarbeiten. Diese konzentrierten sich nachweislich darauf, den Opfern kriminelle Verbindungen zu unterstellen. Im Fall Enver Simsek wurde sein Lieferwagen kurz nach der Tat von Polizisten mit Hunden nach Betäubungsmitteln durchsucht. Für die Familien bedeutete dies eine traumatische Täter-Opfer-Umkehr, zumal die Ermittler keine weiteren Tatmotive wie rechtsextremistische, fremdenfeindliche Beweggründe in Betracht zogen. Heute steht fest, dass neun der zehn Morde rassistisch motiviert waren und von den Rechtsterroristen Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos begangen wurden. Ein weiteres Opfer war eine junge Polizistin. Nach einem Banküberfall begingen die Täter schließlich unter hohem Fahndungsdruck Selbstmord.


Frau Basay-Yildiz betonte, dass sie die Arbeit der zuständigen Behörden grundsätzlich nicht in Frage stellt. Ihr Anliegen ist vielmehr, darauf aufmerksam zu machen, dass Ermittlungen nicht einseitig und möglicherweise durch Vorurteile gegenüber Migranten geprägt sein dürfen. Bei Straftaten gegen migrantische Mitbürgerinnen und Mitbürger sollte stets auch ein mögliches extremistisch-fremdenfeindliches Motiv geprüft werden. Aus ihrer Sicht ist zudem eine Aufarbeitung der Fehler im Zusammenhang mit dem NSU notwendig, um zukünftige Fehlentwicklungen zu verhindern.


Ihr Engagement im NSU-Prozess hatte auch für sie persönlich weitreichende Konsequenzen: Seda Basay-Yildiz erhielt Drohschreiben des sogenannten „NSU 2.0“, in denen Straftaten gegenüber ihrer Familie angekündigt wurden. Die Schreiben enthielten detaillierte persönliche Daten, die eigentlich für die Öffentlichkeit gesperrt waren. Wie sich später herausstellte, wurden diese Informationen von einem Polizeicomputer in Hessen abgerufen – und zwar über eine Polizeistation, in der inzwischen eine rechtsextreme Chatgruppe aufgeflogen war. Die Anwältin schilderte eindrücklich, wie die folgenden Maßnahmen – Personenschutz, Umzug und weitere – das Leben ihrer Familie prägten.


Die Teilnehmenden erlebten eine starke Persönlichkeit, die offen ihre Sorgen um die Familie schilderte, zugleich aber Entschlossenheit und den festen Willen zeigte, sich weiterhin für die Werte unserer Verfassung einzusetzen. Seda Basay-Yildiz forderte die Gleichbehandlung aller Menschen, unabhängig von deren Herkunft. Sie rief dazu auf, rechtsextremen Tendenzen – auch im Alltag, etwa am Stammtisch – entschieden entgegenzutreten und eine klare Haltung zu zeigen.

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