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Ilko-Sascha Kowalczuk in Falkensee

  • Redaktion
  • 1. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Am Sonntag, den 28.09.2025, war das Foyer der Stadthalle Falkensee gut gefüllt. Der Verein care4democracy hatte zu einer Veranstaltung mit dem Titel „35 Jahre Deutsche Einheit im Fokus“ eingeladen mit dem bekannten Historiker und Publizisten Ilko-Sascha Kowalczuk, um einen besonderen Blick auf die Geschichte Ostdeutschlands zu werfen im Kampf um die Freiheit. Da die Veranstaltung mit Geldern aus dem sog. „Innenstadtfonds“ gefördert wurde, hielt Hans Peter Pohl, Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, ein Grußwort. Er brachte darin zum Ausdruck, dass er es als seine wichtigste Aufgabe ansähe, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt zu fördern. In seiner Eigenschaft als Politiker komme er viel in den ostdeutschen Bundesländern herum. Sorge bereite ihm, dass es mit einer gesichert rechtsextremen Partei bei vielen BürgerInnen keine Berührungsängste gäbe. Er forderte, dass die Bundespolitik sich mehr kümmern müsse, die Sorgen und Nöte der Ostdeutschen wahrzunehmen und zu handeln.



Im Anschluss führte Hans Pfeifer (Redakteur Deutsche Welle), ein Kamingespräch mit Kowalczuk. Der Historiker stellte klar, dass der größte Teil der Ostdeutschen das Jahr 1989 nicht als Revolution verstehen würde. Er konstatierte, nur ein Bruchteil der DDR-Bevölkerung habe sich damals engagiert. Eine Einigkeit habe nur in dem Wunsch bestanden, die DDR solle nicht so bleiben wie sie ist. Gesamtdeutschland habe, da die politische Willensbildung von Parteien getragen werde, ein Problem damit, dass es überall immer mehr an Mitgliedern mangele. Auch im Westen ginge dieses politische Engagement rapide zurück, im Osten sei es nochmals deutlicher, denn dort betrage es nur noch ein Zehntel davon. Und er stellte klar: Das sei auch ein Grund, warum die AfD errungene Mandate personell nicht besetzt bekomme. Und Kowalczuk mahnte: Die DNA der Partei sei „Rassismus“. Zudem stehe sie für ein autoritäres Staatssystem, das würde die Sympathien dieser Partei für Putin und Trump erklären. Die Verunsicherung, die von der Rechtsaußen-Partei vermittelt werde, treffe nicht zu. Deutschland sei eines der stabilsten Länder der Welt. Jede Vergabe einer Wählerstimme an diese Partei, wäre ein Verrat an unserer Demokratie. Sprachlos mache ihn, von welchem Hass die Debatten getragen seien im Osten. In den Medien werde dieser tiefe Hass noch nicht gespiegelt. Er habe aber in Erinnerung, wie systematisch Hass z.B. auf den Westen und auf die Kirchen in der DDR propagiert wurden. Die Wut könne nach Kowalczuks Erkenntnis nur darauf beruhen, dass eine vermeintliche Zukunftsaussichtslosigkeit im Osten härter empfunden werde aufgrund der Nachwende-Transformationen mit zum Teil traumatischen Erfahrungen. Diese vom Marxismus geprägte Feindideologie werde heute an die junge Generation am Küchentisch weitergegeben. Weiterhin gäbe es noch die Haltung in Ostdeutschland, dass der Staat zu liefern habe, anstatt eigenverantwortlich zu handeln.

Abgesehen von kurzen Unterbrechungen, habe sich vom Kaiserreich, über das Dritte Reich bis hin zur DDR-Diktatur vermutlich ein obrigkeitsstaatliches Denken bis heute verankert und die Einstellung: “Andere machen schon.“ Auf die Frage, was Kowalczuk persönlich immun mache, erwiderte er, dies sei die Verbrechensgeschichte der Menschheit. Auch seine Forschung zum Thema „Diktatur“ mache ihn immun. Erforderlich sei heute, dass die Öffentlichkeit Zivilcourage zeigen müsse. Er sagte: "Freiheit bedeutet, sich in seine eigenen Angelegenheiten einzumischen.“ Leider habe sich nach dem Ende der DDR keine Zivilgesellschaft, wie im Westen vorhanden, als Demokratieanker etabliert. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass bereits vor 1989 fünf Millionen Menschen die DDR verlassen hätten. Auch nach der Wiedervereinigung seien nochmals 5 Millionen Menschen in den Westen ausgewandert. Nach seiner Einschätzung handelte es sich dabei um diejenigen, die bereit waren, sich neuen Herausforderungen und der Übernahme von Verantwortung zu stellen, darunter ein hoher Frauenanteil. Daher gäbe es im Osten im ländlichen Raum einen hohen Männerüberschuss. Dieser sei oftmals vergesellschaftet mit der Neigung zur politischen Radikalisierung. Nach seiner Ansicht habe der abrupte Wegfall des autoritären Systems die sog. Baseball-Schlägerjahre zur Folge gehabt. Zur Frage aus dem Publikum, wie mit der AfD zu debattieren sei, hatte Kowalczuk eine klare Meinung: Mit Faschisten sei keine rationale inhaltliche Diskussion möglich. Das „Miteinanderreden“ werde nur genutzt, um die Diskursräume zu erweitern und noch weiter nach rechts zu verschieben. Auch die Meinungsfreiheit habe ihre Grenzen. Auch in der Diskussion um qualifizierte Zuwanderung wünsche er sich eine sachliche und nicht von Bösartigkeit geprägte Auseinandersetzung. Befragt zu dem Einfluss der Medien und Social Media auf den Rechtsruck in der Gesellschaft führte er aus: Die Reichweite der großen überregionalen Zeitungen sei erheblich geringer geworden. Social Media habe zur Verbreitung von Unwahrheiten, Schmutzkampagnen und verbalen Attacken geführt, die eine große emotionale Wirkung hatten. Hier habe die gesichert rechtsextreme Partei bereits frühzeitig 100 Angestellte im Einsatz gehabt, um Ängste und Wut auf den Staat zu schüren. Diese neue Kulturtechnik sei von den demokratischen Parteien nicht bespielt worden. Es sei zulässig, auch hier zumindest über Maßnahmen der Regulierung zu diskutieren. Zu beachten sei, dass Neuerungen und Innovationen immer schon mit harten Debatten und Abwehrhaltungen verbunden gewesen waren. Persönlich würde er es für geboten halten, möglichst schon Erstklässlern Medienkompetenz zu vermitteln. Das Fazit der Veranstaltung lautete: Die Zivilgesellschaft ist gemeinsam mit der Politik gefordert, für die Werte unserer Verfassung und für unsere Freiheit einzustehen und antidemokratische Bestrebungen zu verhindern.


Fotos: B. Lammel

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